Familientreffen der Nachkommen von Carl und Bertha Mylius geb. Keller am 16. und 17. 10.2015 in Wustrau/Brandenburg und Mysliborz, dem früheren Soldin in Polen
2015 jährte sich der Todestag des Apothekers Carl Wilhelm Ernst Mylius zum 135. Mal, der seiner Frau Bertha Auguste Rosa geb. Keller zum 125. Mal. Aus diesem Anlass luden Dr. Martin Möllhoff-Mylius und Dr. Ulrike Mylius-Fauler die Nachkommen dieses Ahnenpaars zu einem Familientreffen ein. Carl Mylius besaß in Soldin, das heute Mysliborz heißt und in Polen liegt, eine Apotheke. Das Ehepaar hatte 9 Kinder. Dr. Martin Möllhoff-Mylius hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Nachforschungen über diejenigen Familienzweige anzustellen, die nicht mehr den Namen Mylius tragen und deren Schicksal im Kreise der Familie Mylius Schleiz in Vergessenheit geraten war. Zwei Weltkriege hatten zahlreiche Opfer gefordert und die überlebenden Nachkommen weit zerstreut. Es gelang dennoch, Nachkommen ausfindig zu machen und anzuschreiben.
So trafen sich am 16. Oktober 2015 21 Teilnehmer im evangelischen Pfarrhaus in Wustrau, wo Martins Frau Rose als Pfarrerin tätig ist. Nach einer Begrüßung und der Vorstellung der einzelnen Teilnehmer – hierunter waren Nachkommen der Familien Mylius, Contag und Zeigermann – hielt Martin einen Vortrag über die Familie Baath, der Bertha Keller entstammt. Ihre Mutter war Dorothea Wilhelmine Friederike geb. Baath, ihr Vater der königliche Ökonomierat Johann Gottlob Keller in Soldin. Interessant war, dass am Anfang des 18. Jahrhunderts die beiden Brüder Andreas und Georg Baath (von denen Bertha Mylius geb. Keller abstammt) zeitgleich Verwalter der Rittergüter Karwe und Wustrau wurden und Mitglieder der Familie Baath dann auch Pächter des Rittergutes Langen sowie Erbpächter des Rittergutes in Stöffin waren, Orte, die in unmittelbarer Nähe zu Wustrau liegen. Ein prominenter Vertreter der Familie Baath war ein Großonkel von Bertha Keller: Carl Friedrich Baath, Pächter der Domäne Sachsendorf und Besitzer des Gutes Behlendorf bei Müncheberg. Er war Erb-, Lehn- und Gerichtsherr daselbst und Mitarbeiter des Staatsrates Albrecht Daniel Thaer, des Begründers der modernen Landwirtschaft.
Im Anschluss an Martins Vortrag stimmte Ulrike die Teilnehmer auf die für den nächsten Tag geplante Fahrt nach Soldin ein, indem sie die Biographie des Ahnenpaares sowie ihre 9 Kinder vorstellte. Zitate aus den „Jugenderinnerungen aus kulturarmer Zeit“ des ältesten Sohnes Johann Ludwig Ernst Mylius und Aquarelle, die dieser in Soldin und am Soldiner See gemalt hatte, illustrierten dabei das idyllische Leben in der kleinen Stadt. Die Kinder nutzten den See zu Entdeckungstouren mit dem Boot und wuchsen sehr naturverbunden auf. Allerdings war der Ort auch für damalige Verhältnisse wohl etwas rückständig, so gab es keine Straßenbeleuchtung und die Verkehrswege zu den nächsten Ortschaften waren noch schlecht ausgebaut. Die 6 Jungen mussten das Gymnasium in Guben besuchen und kamen nur noch in den Ferien nach Hause. Geprägt waren ihre Interessen und auch ihre spätere Berufswahl teils durch die naturwissenschaftlichen Ambitionen ihres Vaters, der eine Vogel- und eine Vogeleiersammlung und ein chemisches Labor besaß und der ein Herbarium mit über 2000, heute in der Region teilweise ausgestorbenen Pflanzen angelegt hatte. 3 der Söhne (Johann Ludwig Ernst, Franz Benno und Johann Carl) wurden Apotheker, ein Beruf der sich in einem Zweig der Nachkommen über 4 Generationen vererbte, bzw. Chemiker. Friedrich ergriff einen landwirtschaftlichen Beruf, die Tochter Anna heiratete in die Gutsbesitzerfamilie Zeigermann ein.
Die Organisatoren hatten Bild- und Informationsmaterial, eine Ahnentafel sowie einige Gegenstände aus der Zeit des Ahnenpaares und der folgenden Generation für die Gäste ausgestellt. Mit einem festlichen Essen klang der Abend in den Räumen des Pfarrhauses aus.
Am darauffolgenden Morgen starteten die Teilnehmer mit dem Reisebus Richtung Polen. Im ehemaligen Soldin, dem heutigen Mysliborz erwartete sie ein Stadtrundgang mit einem polnischen Führer und einem Dolmetscher, der die Ausführungen ins Deutsche übersetzte. Frau Dr. Maria Buchbach, eine Urenkelin des jüngsten Sohnes des Ahnenpaares, Johann Carl, hatte dankenswerterweise durch ihre Kontakte nach Polen beides organisiert und den Aufenthalt in Soldin vorbereitet. Besichtigt wurden das ehemalige gothische Dominikanerkloster, der Marktplatz mit dem klassizistischen Rathaus von 1772, die Stadtpfarrkirche St. Johannes der Täufer, die in Teilen auf das 12. Jahrhundert zurückgeht, und die Gertraudenkapelle aus dem 15. Jahrhundert. Einen kurzer Abstecher führte ins Regionalmuseum. Das Gebäude der ehemaligen Adlerapotheke von Carl Mylius war von seinen Nachkommen schon mit Spannung erwartet worden.
Das stattliche Gebäude ist derzeit nur von außen zu besichtigen. Es dient heute als Wohngebäude und wurde teilweise saniert. So hat es ein neues Dach erhalten. Eine Apotheke gibt es darin schon seit mindestens 1979 nicht mehr, da der bauliche Zustand dies nicht zuließ. Von dem Stadtführer war allerdings zu erfahren, dass sich die alte Einrichtung im Apothekenmuseum in Stettin, dem heutigen Szczecin befinden soll. Eine Vorstellung davon, wie die Apotheke einmal ausgesehen haben mag, haben wir durch eine Nachbildung der Inneneinrichtung, die sich im Bestand des deutschen Apothekenmuseum in Heidelberg befindet, denn Carl hatte für seine Kinder seine eigene Apotheke mit viel Liebe zum Detail originalgetreu als Spielzeug nachgebaut.
Im Rahmen der Stadtführung hatten die Teilnehmer zuvor an einem vor der Stadt gelegenen Denkmal für 120 von russischen Soldaten bei einem Massaker getötete Einwohner von Soldin innegehalten. Das Massaker hatte am 7. Februar 1945 als Vergeltung für einen von einem deutschen Offizier getöteten Rotarmisten stattgefunden. Ehemalige und heutige Soldiner haben das Denkmal gemeinsam 1995 errichtet.
Nach einem Mittagsimbiss in einem Restaurant mit Blick auf den Soldiner See konnten die Teilnehmer des Treffens über einen Steg auf die ehemals von Carl Mylius gepachtete Insel im See hinübergehen, die auf mehreren Aquarellen und in den Jugenderinnerungen seines ältesten Sohnes Ernst verewigt worden ist. Seinerzeit befanden sich dort ein gemauertes Gartenhaus und ein Garten. Heute befinden nur noch einige Bäume und eine Wiese darauf.
Die Fahrt ging weiter mit dem Reisebus über die Oder zurück nach Deutschland, um im Gut Behlendorf in der Gemeinde Steinhöfel Halt zu machen. Es soll einst von Schinkel als achteckige Anlage geplant worden sein. Der Amtsrat Carl Friedrich Baath (1756 – 1816), der Großonkel von Bertha Mylius geb. Keller, hatte es 1802 erworben und es neben der Domäne Sachsendorf bewirtschaftet, die er gepachtet hatte. Das Gut befindet sich heute im Besitz der Familie Seefried, die dort Landwirtschaft betreibt und Stallungen für Pferdezucht verpachtet. Die Anlage ist noch im Großen und Ganzen in der ursprünglichen Form vorhanden. Das ehemalige Gutshaus ist das einzige hell verputzte Gebäude, alle übrigen bestehen aus gespaltenem Feldstein. Die Teilnehmer konnten sich an einer von Familie Seefried reich gedeckten Kaffeetafel stärken und wurden anschließend von der Eigentümerin über das Gelände geführt, das neben Pferdekoppeln und Stallungen auch über Wald verfügt und an den malerisch gelegenen Heinersdorfer See grenzt. In dessen Nähe befindet sich das Denkmal, das Carl Friedrich Baath von seinen Kindern gesetzt worden ist.
Zurück in Wustrau klang der Abend und damit ein ereignisreiches Wochenende bei einem gemeinsamen Essen im Hotel Seeschlösschen am Ruppiner See aus.