Geschichte der Familie Mylius-Schleiz

Georg Müller, der sich später Mylius nannte

Georg Müller wurde 1548 in Augsburg (vermutlich in der Heilig-Kreuzer­ Straße) als Sohn des Zimmermanns und Wirts Wolfgang (Wolf) Müller und dessen Ehefrau, N.N. Wiedemann (?) als mittlerer von 3 Söhnen geboren. Schon als Kind wurde er von einem Bruder seines Großvaters, einem frommen Manne, in der evangelisch-lutherischen Religion so unterrichtet, daß er bereits „in seinem 7. Jahre über sein christlich-lutherisches Bekenntnis unzweifelhaft Zeugnis ablegen konnte“. Von Augsburg ging er 1566 auf die Universität Straßburg und ein Jahr später nach Tübingen, wo er sich am 06. Nov. 1567 immatrikulierte. Seine philosophischen, philologischen und theologischen Studien betrieb er mit großem Eifer. Am 12. Juli 1571 immatrikulierte er sich an der Universität Marburg und wurde dort am 08. Mai 1572 Magister der Philosophie. Im selben Jahr erhielt er im Alter von 24 Jahren eine Berufung als Diakon an die Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ seiner Vaterstadt Augsburg und sieben Jahre später, 1579, als Pfarrer an die dortige St. Anna-Kirche, die ehemalige Klosterkirche des Karmeliterordens. Am 23. Nov. 1579 erlangte er unter dem berühmten Dr. Jacob Heerbrand, an dessen Tisch er früher einige Zeit lebte, mit „magna cum laude et honore“ den Doktor der Theologie an der Universität Tübingen und hielt auch unter dessen Präsidium seine Inaugural-Disputation zur Erlangung dieser Würde: „Contra abominandum Missae Pontificiae sacrificium“. Acht Monate darauf erfolgte seine Ernennung zum Superintendenten der evangelischen Kirchen Augsburgs, dem höchsten kirchlichen Amt dieser Stadt. – Auf seine Veranlassung wurde 1580 die Gründung eines Kollegiums bei St. Anna geplant. Der Rat genehmigte am 16. März 1581 dessen Einrichtung und am 03. Dez. 1582 fand die Eröffnung dieser Ausbildungsstätte für tüchtige Anwärter zum Dienst in der evangelischen Kirche unter Dr. Georg Müller als Rektor statt.

In den Kirchenkämpfen seiner  Zeit spielte er die bedeutsamste  Rolle und   besonders bekannt  wurde   er  durch   den  sog.  Kalenderstreit. Papst Gregor XIII. versuchte, die durch ihn veranlasste Kalenderänderung, den „Gregorianischen  Kalender“, auch  den  Protestanten aufzuzwingen, wo­durch  eine  starke  Gegenbewegung hervorgerufen wurde, an  deren  Spitze Georg Müller/Mylius stand. In heftigen  Reden,  die in der Literatur zum Teil bis heute  erhalten sind,  kämpfte er von der Kanzel für die Rechte  des Protestantismus und zog sich dadurch die Feindschaft der katholischen priesterlichen Mitglieder des Senates in  Augsburg zu. Als er  am Sonntag, dem Urbanustage, abkündigen ließ, dass der Himmelfahrtstag und das Pfingstfest wie üblich  nach  dem  alten  Kalender gefeiert  würden, war  für den Rat von Augsburg die Gelegenheit günstig, sich dieses „unbequemen Predicanten“ zu entledigen. Aufgrund eines  „Decrety  contra  Doctor  Georg Müller“  beschloss  der  Rat  der  Stadt Augsburg am  25. Mai 1584 (nach  dem neuen  Kalender am 04. Juni 1584), ihn in die Verbannung zu schicken. Am selben  Tage  gegen  11 Uhr  (nach  anderer  Nachricht um  1 Uhr) wurde  er  durch  Bewaffnete des  Senats gefangen genommen, „dabey  sich dieselben  verlauten ließen,  der  Kessel  mit  Öl, darinnen er  sollte  gesotten werden,  sey  zu  Rom schon  über  das  Feuer   gesetzt“. Während jedermann beim  Essen  war,  wurde  er  heimlich  in einen  Wagen  gesetzt, der  die Stadt am  Gögginger  Tor verlassen sollte.  Infolge  seiner  außerordentlichen Beliebtheit kam  es  jedoch  zu  einem  Volksaufstand, in  dessen  Verlauf  er wieder  befreit  wurde.  – Am 26. Mai um 4 Uhr  mußte  er die Stadt aber  dann endgültig mit dem Ziel Ulm verlassen, nachdem er sich von seiner  Frau, die durch   den  Schreck   über   dieses  Unglück   eine  Fehlgeburt erlitten hatte, verabschiedet  und   sie  getröstet hatte.  Sie  starb  am   28.  Mai   1584   in Augsburg. Den tiefen  Eindruck, den  dieses  Ereignis in Augsburg hervorgerufen hatte, zeigen verschiedene Inschriften auf Medaillen, die auf ihn geschlagen wurden,  ferner   der  reproduzierte Kupferstich über  seine  Vertreibung am 25. Mai 1584. So  lebte  er  denn  als  Verbannter und  vertrieben von  seinem Amte ungefähr ein Jahr lang in der freien  Reichsstadt Ulm.

Professor der Theologie und Kanzler der Universität Wittenberg

Bald darauf wurden ihm   verschiedene   ehrenvolle  Ämter angetragen, und zwar wurde er besonders von  der Stadt Braunschweig als  Nachfolger des berühmten Dr. Martin Chemnitz, des  damals verstorbenen Braunschweiger Superinten­denten,  vorgeschlagen. Doch  nahm er lieber eine ihm brieflich von dem Kurfürsten August von  Sachsen angetragene Berufung als Professor der Theologie und Kanzler an der Universität Wittenberg und Superintendent an der dortigen Schlosskirche an. Die feierliche Einführung in sein neues Amt erfolgte am 09. Juni 1585. Einem  Schreiben, das er  am 06. Juli 1585 an seinen Freund Jacob Miller,  Spitalmeister in  Augsburg, richtete, ist  seine tiefe Bewegung über seine Berufung nach Wittenberg zu entnehmen:
„…So oft ich in der Schloßkirche predige oder lese, sitze und stehe ich auf denen Canzlen, darauf Doctor Luther selbst geprediget und gelehret hat. Wenn ich auf der Canzel stehe,  liegt D. Luther inn der Kirchen mir zur rechten Hand under der Canzel begraben, Philippus Melanchthon gegen mir yber; und stehen sy beide inn großer Mannslänge an Tafeln  abgemalet, der ich ire Gräber und lebendigen Bildnuße  auf der Canzel  vor mir sehe. Wenn ich an diese Herrlichkeit gedencke  so ybergehet mir Aug und Herz  und sehe ich, wie herrlich mich Gott gewürdiget hat. Hette auf dieser Erden größerer Freud und Ehren nit erleben  können…“.

Professor der Theologie und Superintendent in Jena

Nach  dem Tode seines  Patrons, des Kurfürsten August von Sachsen, wurde  die  bis  dahin geltende  „Concordienformel“ zu  Grabe getragen und weil Georg Mylius  das „Corpus  Doctrinae Philippicus“ nicht  zur  neuen Richtschnur  seiner   Lehre   annehmen  wollte, wurde er von dem nachfolgenden Kurfürsten Christian I. aus seinen Ämtern entlassen. So immatrikulierte er sich  im Jahre 1588  erneut an  der Universität Jena und  wurde  dort  am 12. Februar 1589 zum  Professor der  Theologie berufen. Außerdem wurde ihm nach dem Tode von Dr. Samuel  Fischer das Amt eines Superintendenten an der Kirche und Diözese Jena übertragen. An der Universität Jena war er viermal „Rector Magnificus“: 1. vom 31. Juli 1589 bis 27. Januar 1590, wobei er 110 Studenten aufnahm, 2. vom 07. August 1595 bis…(152 Studenten), 3. vom 06. August 1601 bis…(120 Studenten) und 4. vom 12. April bis 05. August 1602 (128 Studenten).

Große Verdienste erwarb er sich in Jena um die Universitätskirche, die bis dahin verödet gewesen war. Auf seinen Rat und mit seiner Hilfe wurde sie 1595 für den öffentlichen Gottesdienst wiederhergestellt und in demselben Jahr predigte er dort zum ersten Mal. (Die Universitätskirche wurde im 2. Weltkrieg 1945 zerstört). Aus dieser Zeit stammt auch eine persönliche Unterschrift  von ihm, die er einem Studenten ins Stammbuch leistete.

Rückberufung nach Wittenberg als erster Professor der Theologie und General-Superintendent

Unter Kurfürst Christian II. änderte sich der Religionszustand in Sachsen abermals und so wurde er im Oktober 1603  nach Wittenberg als erster Professor der Theologie und General-Superintendent zurückberufen. Nach wenigen Jahren fruchtbaren Wirkens verstarb er dort unter heftigen Schmerzen infolge eines Nierensteines am 28. Mai 1607 gegen 9  Uhr morgens, nachdem er kurz vorher am Himmelfahrtstage zum letzten Mal im Dom zu Wittenberg gepredigt und  noch am Tage nach  Himmelfahrt seine  gewohnte Vorlesung im Auditorium gehalten hatte. Sein Amtsbruder, Prof. der Theologie Dr. Friedr. Balduin hielt  die Leichenrede, die mit einem kurzen Lebensabriss zu Wittenberg 1607 gedruckt wurde (Stolberg: L.P. 1606 16858; H. Koch: Univ. Bibl. Jena L.R. 1091; Roth: L.P.: R 56)

In  der  Stadtkirche zu Wittenberg wurde  folgende  Inschrift in  seinen Grabstein eingemeißelt:

Hic situs est GEORGIVS  MYLIVS S. Theol. D. ecclesiarum elector. Sax. Superintendens generalis, & Acad. Wittenb. Profess. quondam etiam Jenensis primarius, autoritate, constantia, zelo pietatis, eloquentia admirabilis, hostium christianae religionis  terror, magni  Lutheri spiritu & veritate magnus discipulus, cum luctu  & desiderio  bonorum omnium  mortalitati ereptus aet. suae  LIX Christi anno MDCVII.

Diese   Inschrift  ist    heute  nicht    mehr    aufzufinden,   da   in   den Kriegsjahren 1806 – 1813 die meisten Inschriften vernichtet wurden.

Bis zum Kriegsende 1945 hing das nebenstehende überlebensgroße Ölgemälde von Georg Mylius in der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg. Der Maler ist unbekannt. Anlässlich der Wiedereröffnung des Bugenhagenhauses in Wittenberg 2007 nach seiner Renovierung wurde das Bild mit Hilfe einer Spende eines Mitgliedes der Familie Mylius restauriert und hängt nun in dem Haus, in dem  Georg Mylius sein Amt als Superintendent ausübte. Das Bild ist wohl erst nach seinem Tode entstanden. Der Mode der Zeit entsprechend ist er im Stil der spanischen Hoftracht gekleidet.

Als  Briefverschluß  seiner   Korrespondenz verwendete er  sein  Siegel,  das  das  bekannte Lamm  mit Kreuzesfahne zeigt.  Das  älteste  Briefsiegel stammt  von circa 1583.

Die  Bedeutung,  die  dieser Mann in seiner Zeit hatte, geht auch  daraus hervor, dass auf ihn eine  Reihe von  Medaillen geschlagen wurden, von denen hier eine von dem berühmten Augsburger  Goldschmied und Münzenschneider Balduin Drentwett aus dem  Jahre 1579 gezeigt wird. Nicht weniger als 18 verschiedenartige Medaillengüsse auf Dr. Georg Mylius und seine Vertreibung konnten bisher ermittelt werden.

Familie

Georg Mylius war zweimal verheiratet:

  1. Am 2. Oktober 1572 mit Barbara Grundler, die am 28. Mai 1584 in Augsburg bei einer Fehlgeburt starb. Nebenstehend der Heiratseintrag aus dem Heiratsprotokollbuch des Stadtarchivs Augsburg
  2. Am 16. März 1585 in Ulm mit Veronica Weiss, der Tochter des Augsburger Bürgers Anton Weiss (geboren in Augsburg 20. Juli 1518, gestorben in Augsburg 12. November 1575). 

Der ersten Ehe entstammten die Kinder Hieronymus, Georg, Barbara, Dorothea, Gabriel und Katharina. Der zweiten Ehe entstammten die Kinder Georg d.J., Salome, Polycarp, Polycarp II, Judith, Antonius, Regina, Veronica, Ludwig, Immanuel und Euphrosyne.

Veröffentlichungen

Von über 40 Veröffentlichungen, die von Georg Mylius bekannt sind, seien nur angeführt:
  • Leichenpredigt für Johann Baptiste Haintzel, sein „Mäcenas“, Augsburg 1581
  • Augspurgische Händel, Wittenberg 1586
  • Leichenpredigt für Lucas Cranach d.J., Wittenberg 1586
  • 10 Türkenpredigten, Jena 1595
  • Leichenpredigt auf Friedrich Wilhelm, Herzog von Sachsen, Jena 1602
  • Bapstpredigten, in welchen gehandelt und gründlich angezeiget wird, was und wer der Bapst zu Rom sey…, Jena 1599. Spätere Auflage gedruckt zu Franckfurt am Meyn, 1615, 338 Seiten
Über Georg Mylius erschien u.a. :
  • Commentarii imprimis de dissensionibus oder Schreibbuch des Georg Müller (Ulm). Handschrift in Staats- und Stadtbibliothek Augsburg (2°-Cod. Aug. 113)
  • Martin Cordes: Dr. Georg Müller/Mylius und seine Familie in Augsburg, Manuskript 1971. Vorhanden in Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen
  • Dr. Georg Mylius: Die Medaillen auf Dr. Georg Mylius, Mitteilungen des Verbandes der Familie Mylius-Schleiz 1926, S 110